Spontanladen oder Ladekrimi

SPONTAN Erfahrungsbericht:

Auf den ersten Blick sind Elektroautos toll.
In der Stadt sind Elektroautos unübertroffen. Sie sind Agil, liefern überzeugende Beschleunigungswerte, rekuperieren Energie und bieten viele Vorteile. Außerdem bieten sie teils große Vorteile was das Parken in Stuttgart und anderen Städten angeht. Beim Kauf oder Leasing profitiert man vom Umweltbonus. Zu guter Letzt schonen sie die Umwelt, was aber umstritten diskutiert wird. Darum soll es in unserem Test der Ladeinfrastruktur jedoch nicht gehen.

Warum es angebracht ist, beim Kauf eines Elektroautos ganz genau hinzusehen, erläutern wir Euch im Folgenden.

Ladeinfrastruktur und Spontanladen:

Vor dem Kauf fährt man ein Elektrofahrzeug natürlich auch mal Probe. Der Elektrobonus lockt, die Werte überzeugen auf den ersten Blick und in die Verlegenheit den mobilen Untersatz während der Probefahrt aufladen zu müssen kommt man meist nicht.

In Stuttgart und Umgebung sieht man gefühlt an jeder Ecke eine Ladesäule (Allerdings AC, also keine Schnellader). Verkäufer werben gerne damit, dass man beim nächsten Kaufland, Aldi, Edeka, MediaMarkt oder Lidl sogar kostenfrei laden könne um den höheren Anschaffungspreis zu kompensieren. Daher kommen Interessenten beim Kauf nicht in die Verlegenheit dies zu hinterfragen.

Kostenfrei muss es ja noch nicht einmal sein. Schließlich bekommt man sein Benzin, Diesel oder andere Kraftstoffe auch nicht umsonst. Funktional wäre jedoch wünschenswert.
Hört sich alles wunderbar an. Ganz nebenbei tut man noch was für die Umwelt. Zu schön um wahr zu sein.

Eines was wir bei unserem mehrmonatigen Elektrotest und den zahlreichen Interviews von Elektrofahrern bisher erfahren haben: geduldig müssen Elektrofahrer sein und über gute Nerven verfügen. Ein Leser erzählt uns dazu von einer interessanten Erfahrung:

Ein Fahrer eines E-Jaguar stand nach 57 Minuten kostenfreiem Laden an der Ladesäule mit den Worten „ich habe noch 3 Minuten“. Gedacht sind die kostenlosen Ladestationen schließlich dafür während des Einkaufs nebenbei den Wagen mit Solarstrom zu laden. Win Win also. Nun könnte man unterstellen, dass die Fahrer dieser und anderer Nobelmarken mittlerweile darauf angewiesen sind auch ohne Einkauf kostenlos zu laden. Oder es liegt eben doch schlicht an der fehlenden Schnellladeinfrastruktur.

Das eigentliche Problem der Ladeinfrastruktur:

Das Problem liegt an der Vielzahl der unterschiedlichen Ladeanbieter, daraus resultierender unterschiedlicher Ladekarten, der Vielzahl an unterschiedlichen Ladesteckern in Verbindung mit unterschiedliche Ladetechniken im Auto.

Wer sich vor dem Kauf über Techniken und Schlagwörter wie 3-Phasiges laden, CCS Schnellladeanschluss, mitgelieferte Ladekabel und die Größe der Batterie keine Gedanken macht, hat spätestens dann verloren, wenn sie oder er nicht mehr ausschließlich in der Stadt unterwegs ist.

Darüber hinaus sind Hybrid Fahrzeuge zwar eigentlich eine tolle Erfindung, jedoch nur wenn diese auch tatsächlich zuhause laden. In der Realität blockieren diese Hybridfahrzeuge oft die öffentlichen Ladesäulen. Da diese oftmals nur mit 4,5 kw/h Ladeleistung laden können.

Nachteil der Unterschiedlichen Ladeanschlüsse:

Ob das Fahrzeug über einen Schnellader Verfügt oder nicht ist unerheblich, wenn keine Schnelladesäule zur Verfügung steht:

So haben beispielsweise der Volkswagen e-up, VW eGolf, Skoda Citigoe iV, Seat Mii electric, Hyundai KONA Elektro beim AC laden eine Ladeleistung von gerade mal max. 7,2 kW. Also wenn kein Schnelllader verfügbar, obwohl ein CCS Anschluss verbaut ist. Ganz nebenbei, das TYP2 Kabel ist bei vielen Fahrzeugen nicht einmal Serienmäßig.

Was heißt das nun für Nicht-Techniker und Nicht-Mathematiker?

Eine Fahrzeit von 13-16 Stunden z.B. von Stuttgart nach Göttingen, bei 7,2 kW Ladeleistung. Laut Routenplaner Google Maps fährt man in dieser Zeit mit einem herkömmlichen Benziner oder Diesel von Stuttgart nach Barcelona. Was mit 1262 Km der dreifachen Distanz entspricht.

Zum Vergleich, mit Schnellader im eGolf (max. 40KW) sind 7-8 Stunden realistisch. Geladener Akku bei Fahrtantritt vorausgesetzt. Diese Werte haben wir bei Tests im Winter erreicht. Mit dem Zug benötigt man 3-4 Stunden. Bei Zugausfällen auch mal 5 Stunden. Mit einem herkömmlichen Benziner oder Diesel PKW in etwa 4-5 Stunden. Je nach Verkehr natürlich.

Mit einer Ladeleistung von 7,2 kW/h und einem Verbrauch von 14-21 kW/h bedeutet das eine Ladezeit zwischen 2-3 Stunden je 100 Km Fahrstrecke. Selbst für sehr relaxte Personen ist das eine Herausforderung für die Geduld und Nerven.

Bei einer Fahrstrecke von 400 Km wie in unserem Test von Stuttgart nach Göttingen, würde man auf eine reine Ladezeit von 8-12 Stunden kommen. Hinzu kommt die normale Fahrzeit von 4-5 Stunden. Je schneller man fährt, umso länger muss man jedoch später laden, da dadurch der Stromverbrauch ansteigt.

Letztendlich entspricht das einer Fahrzeit von 13-16 Stunden (ohne Schnellader) von Stuttgart nach Göttingen. 7-8 Stunden mit 40 Kw Schnellader im eGolf. Im Winter verschlechtert sich diese Zeit nochmals, u.a. durch hohe Verbrauchswerte, was bei den Ladestopps bei kalten Temperaturen natürlich alles andere als schön ist.

Elektrotankstellen sind meist leider nicht überdacht, wie das bei herkömmlichen Tankstellen der Fall ist. Man halte sich das Szenario vor Augen, wenn man also bei Starkregen das Ladekabel anschließen und in dem Moment die Ladesäule vom Service neu gebootet werden muss. Wenn man also im wahrsten Sinne im Regen stehen gelassen wird. Pitschnass und dass bei drei Grad Außentemperatur. Alles schon vorgekommen. Da wünscht man sich dann ein Dach über der Elektrotankstelle und eine bessere Ladeinfrastruktur.

Das Rechenbeispiel geht zudem davon aus, dass man alles optimal timen kann, jede Ladesäule funktioniert und man auch sofort eine Ladesäule findet. Was in der Realität leider nicht immer der Fall ist. Teilweise sind in den Apps sogar Ladesäulen angegeben, die nicht existieren. Zudem ist die Ausschilderung von Elektrotankstellen auf der Autobahn oftmals bescheiden. Zumindest auf der getesteten Strecke.

Ausbau der Ladeinfrastruktur

Elektrofahrer sind glücklich über jeden Ausbau der Ladeinfrastruktur. So fangen auch Tankstellen und Ölkonzerne langsam an, an Ihren Tankstellen ein Ladesäulennetz zu etablieren. Die zukünftige Preisgestaltung bleibt abzuwarten.

Netzausbau mit Aral Elektroladestationen und Schnellladesäulen
Netzausbau mit Aral Elektroladestationen und Schnellladesäulen

So hat z.B. der Netztbetreiber EnBW, über dessen Netz auch die ADAC Ladekarte läuft, eine Kooperation mit Ionity abgeschlossen. Dadurch sind die Ladesäulen von Ionity nun auch mit den Ladekarten der EnBW und des ADAC nutzbar. Allerdings sehr hochpreisig. Für die Ionity-Ladepunkte ruft EnBW einen „gesonderten Preis“ von 0,79 Euro pro kWh auf.
Zum Vergleich, eine kWh per CCS-Schnelladen kostet über die ADAC Karte ansonsten 0,39 Euro. Die Ionity Ladepunkte sind damit mehr als doppelt so teuer. Bei einer Autobahnfahrt dürfte man damit teurer liegen als mit einem vergleichbaren Benziner oder Diesel.

Sind Elektroautos daher schlecht oder was ist die Lösung?

Elektroautos sind desshalb nicht schlecht, aber sehr Zeitaufwendig. Die Lösung ist hier auf 3-Phasiges Laden zu achten (z.B. Renault Zoe) und oder in jedem Fall einen CCS Schnelladeanschluss hin zuzubuchen. Dabei kommen viele der genannten Modelle auf eine Ladeleistung von bis zu 40-50 kWh.

Bei 3-Phasigem Laden reduziert sich die Wartezeit somit auf etwa 1 Stunde pro 100 Km. Bei den meißten CCS Anschlüssen (50 kw/h) reduziert sich die Ladezeit auf etwa 30 Minuten pro 100 Km.

Vor allem wenn dem Fahrzeug eine Wärmepumpe hinzukonfiguriert wird.  Käufer eines Elektroautos sollten sich mit diesen Themen und Begriffen genau auseinandersetzen. Empfehlenswert ist es natürlich ein Fahrzeug zu wählen, welches sowohl AC als auch DC mit möglichst hoher Leistung laden kann.

Vorteile von Elektrofahrzeugen:

In vielen Städten, darunter Stuttgart bieten Elektroautos große Vorteile. In Stuttgart kann man u.a. mit einem elektrischen Fahrzeug mit E-Kennzeichen kostenlos parken.

Wir werden für Euch einige Hersteller anschreiben um deren Fahrzeuge auf eine Alltags- und Langstreckentauglichkeit hin zu testen und den SPONTAN Lesern unsere Erfahrungen schildern.

Fazit:

Es gibt schlicht weg noch zu wenig Schnellladesäulen.

Wer sich wundert, warum sogar elektrische Porsche, Jaguar und Teslas an den kostenlosen Ladesäulen bei Aldi und beim Kaufland Schlange stehen. Da anzunehmen ist, dass die Käufer das Auto nicht wegen des erhöhten Umweltbonus gekauft haben.

Viele der Käufer haben zuhause keine Lademöglichkeit. In den Städten sind zwar viele Ladesäulen vorhanden, jedoch kaum Schnellader. In ländlicheren Gegenden sieht es da noch mauer aus.

So wird über die App Wattfinder in Metzingen nur eine Schnelladesäule angezeigt. Gerade für Metzingen, dass mit seinem Outlet tausende von Besucher täglich anzieht, wäre es aus unserer Sicht sinnvoll die Ladeinfrastruktur deutlich auszubauen.
In Nürtingen, Bad Urach und Neckartenzlingen gibt es ebenfalls nur jeweils eine Schnelladesäule mit maximal 50 kW Ladeleistung. Eindeutig ausbaufähig.

Nützliche Apps:

Wattfinder

Die App Wattfinder hilft Euch nahegelegene Ladesäulen zu finden. Dabei könnt Ihr im Wattfinder nach unterschiedlichen Kriterien filtern. Die App ist relativ einfach und intuitiv und wurde uns von zahlreichen Elektro-Fahrern empfohlen.

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